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Mietzinsherabsetzung infolge behördlich angeordneter Betriebsschliessung

I. Einleitung

Als Folge des staatlich angeordneten Lockdowns müssen namentlich Restaurants, Clubs und Bars sowie weitere Gastronomiebetriebe vom 17. März bis 19. April 2020 vorerst schliessen. Für unsere Branche bewirkt dies existenzbedrohliche Liquiditätsengpässe. Zum Schutz der verbleibenden finanziellen Mittel soll nachfolgend aufgezeigt werden, wie sich die Rechtslage von Geschäftsmietern in Bezug auf die Miete gestaltet und welche Handlungsmöglichkeiten es gibt. Diese sind primär:
• Begehren um Mietzinsherabsetzung umgehend an den Vermieter senden
• Das Gespräch suchen und eine angemessene Lösung finden (z.B. 90% Mietzinsreduktion für die Zeit des Lockdowns); keine Stundungsvereinbarung unterschreiben
• Ohne Einigung: Zahlungen vorerst stoppen; zur Absicherung kann der Mietzins hinterlegt werden (siehe Ziff. III.)

II. Rechtliche Ausgangslage

Mietverträge enthalten in der Regel eine Bestimmung, wonach ein Mietobjekt zu einem bestimmten Zweck zur Verfügung gestellt wird, hier üblicherweise zum Betrieb eines Restaurants, einer Bar oder eines Hotels. Insbesondere für Restaurants, Bars und Clubs vermag der Vermieter dieser vertraglichen Zusicherung seit dem 17. März 2020 nicht mehr nachzukommen. Damit liegt ein Mangel im mietrechtlichen Sinn vor, was grundsätzlich eine Herabsetzung des Nettomietzinses (ohne Nebenkosten) rechtfertigt (vgl. Art. 259a und 259d OR).
Die Höhe der Herabsetzung bestimmt sich anhand der konkreten Umstände. Verglichen wird der objektive Wert der mängelfreien Mietsache mit demjenigen der mangelhaften. Entscheidend ist nicht der Grad der Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit, sondern derjenige der sonstigen Interessensbeeinträchtigung. Dass also etwa im geschlossenen Lokal doch noch gekocht und (für niemanden) serviert werden könnte, ist nicht relevant. Vielmehr fragt sich, inwiefern sich die vertraglich vorgesehene Nutzung noch bewerkstelligen lässt und ob durch den Mangel ein objektives Ungleichgewicht zwischen den Hauptleistungspflichten (Mietzins vs. zweckgemässe Nutzung des Mietobjekts) besteht. Diese Frage lässt sich aus objektiver Sicht wie folgt beantworten: Die Gebrauchstauglichkeit von Restaurants, Clubs und Bars ist aktuell infolge des behördlichen Lockdowns bzw. ohne Gäste vollumfänglich vereitelt. Entsprechend dürfte für diese Gastronomiebetriebe während der verordneten Schliessung grundsätzlich einen Anspruch auf vollumfängliche Herabsetzung des Mietzinses bestehen. Dabei ist es
nach Auffassung der Mehrheit der Juristen nicht erheblich, ob der Vermieter an der Situation ein Verschulden hat oder dass sich ein Mangel – wie vorliegend – nicht beseitigen lässt.

 

III. Praktische Handlungsanweisungen

Zur Durchsetzung seines Rechts muss der Mieter aktiv werden. Er muss dem Vermieter zu verstehen geben, dass er das Austauschverhältnis der Leistungen für mangelhaft erachtet. Von dieser Erklärung müssen Mass und Dauer der Herabsetzung mitumfasst sein. Deshalb sollte unsere Vorlage verwendet und diese umgehend an den Vermieter gesendet werden (s. Vorlage „Mietzinsherabsetzungsbegehren“). Erst eine solche Anzeige schafft das rechtliche Fundament für eine Mietzinsreduktion. Im Sinn des gegenseitiges Verhältnisses empfiehlt sich, die Forderung zuvor telefonisch beim Vermieter zu platzieren und vielleicht bereits in diesem Zusammenhang eine Lösung zu finden.
Kommt der Vermieter der Aufforderung zur Herabsetzung des Mietzinses nicht nach, sollte dies nicht hingenommen werden. Für diesen Fall gibt es verschiedene Handhaben. Vorerst sollte um Aufschub der April-Miete ersucht werden. Hierzu braucht der Vermieter bloss die Zahlungsfrist schriftlich zu verlängern. Dabei sollte klar keine Stundungsvereinbarung abgeschlossen werden. Damit würde die Zahlungspflicht für den Monat April 2020 anerkannt. Sollte der Vermieter einen Zahlungsaufschub ablehnen, kann man die Zahlung per 1. April 2020 stoppen. Dies vor dem Hintergrund, dass die Rechtsprechung eigenmächtige Mietzinsreduktionen bei nichtbehebbaren Mängeln erlaubt, zumal der Vermieter hier auch mit der Hinterlegung des Mietzinses nach Art. 259 Abs. 2 OR nicht zu einer Mangelbehebung bewogen werden kann. Zudem wäre dem Mieter hinsichtlich die Liquidität nicht gedient. Zur Absicherung (oder wer absolut kein Risiko eingehen will) kann der Mietzins jedoch selbstverständlich entsprechend hinterlegt werden. (Anmerkung: Die Coronavirus-Situation ist ein Spezialfall. Normalerweise ist der Mietzins immer gemäss Art. 259 Abs. 2 OR bei der dafür zuständigen Stelle im Kanton zu hinterlegen.)
Sollte sich der Vermieter dennoch dagegen wehren, in dem er eine Zahlungsverzugskündigung nach Art. 257d OR androht, sollten umgehend die vollumfängliche Herabsetzung der Miete für die Zeit der behördlichen Komplettschliessung verlangt und die diesfalls zu viel bezahlte Miete für den März 2020 zur Verrechnung gebracht werden. Bei einer Hinterlegung im Sinn von Art. 259 Abs. 2 OR kann zudem auf diese verwiesen werden. In diesem Zusammenhang ist im Übrigen strittig, ob sich der Vermieter überhaupt auf Art. 257d OR berufen kann. Eine Betreibung ist derzeit und bis zum 19. April 2020 nicht möglich (Bundesratsbeschluss sowie anschliessend gesetzliche Betreibungsferien). Wird ein Mieter anschliessend betrieben, wäre umgehend Rechtsvorschlag zu erheben.
Angesichts der bestehenden Ausnahmesituation ist es eher unwahrscheinlich, dass ein Vermieter sogleich kündigt, dürfte er doch aktuell kein Interesse haben, eine Mieterschaft zu verlieren, zumal ihm anschliessend ein monatelanger Leerstand droht. Vor diesem Hintergrund erliessen bereits erste Schweizer Städte in durch sie vermieteten Lokalen den Mietzins für die Zeit des Lockdowns.
Um einen langen Rechtsstreit und damit verbundene Ungewissheiten zu vermeiden, können mit dem Vermieter selbstverständlich individuelle Abreden getroffen werden. In diesem Zusammenhang sollten sich Geschäftsmieter ihrer sehr guten Ausgangslage bewusst sein, womit etwa ein weiteres Mittragen der Miete in einem grösseren Umfang gut überlegt sein sollte. Kleine Zugeständnisse, wie beispielsweise die vorübergehende Reduktion der Miete auf 10%, dürften aber mit Blick auf den Umstand, dass allfällig gewisse Räumlichkeiten wie ein Büro weiterhin genutzt werden können, eine pragmatische Lösung sein.

IV. Betreiber von Hotels, Imbisswagen und weiteren noch nicht gänzlich geschlossenen Gastronomiebetrieben

Anders gestaltet sich die Ausgangslage für Hotels oder Verpflegungswagen ohne Verzehrmöglichkeit vor Ort sowie für Restaurants, die über ein Lieferungs- bzw. Take-away-Konzept verfügen. Hier ist die Zweckzusicherung nicht oder nur teilweise beeinträchtigt; eine vollumfängliche Herabsetzung des Mietzinses ist somit nicht geboten. Restaurants, die erst wegen der Krise Delivery anbieten, aber auch Betrieben, die den Umsatz normalerweise grossmehrheitlich über die Restauration vor Ort machen, wird empfohlen, dennoch eine teilweise Herabsetzung des Mietzinses zu beantragen. Zur Bestimmung des einzufordernden Masses der Reduktion sollte auf das bisherige Umsatzverhältnis zwischen der nunmehr nicht mehr möglichen Restauration vor Ort und denjenigen Gastronomieleistungen, welche sich nach wie vor durchführen lassen, abgestellt werden. Macht ein Betrieb also normalerweise 90% des Umsatzes mit Verkostungen im Restaurant und bloss 10% über weiterhin mögliche Dienste, wäre um eine 90%-ige Mietzinsreduktion zu ersuchen. Die entsprechenden Zahlen dürften sich etwa anhand der für diese Dienstleistungen verschiedenen Mehrwertsteuersätzen mittels Buchhaltung belegen lassen.

Quelle: Gastrosuisse